Texte
Hamamelis
03. März 2019
Zaubernuss – Zauberduft. Hamamelis hört sich an wie Hamam – weckt Assoziationen von purem Genuss – die Zaubernuss.
Die Realität sah anders aus: Es regnete, und zwar heftig, zum ersten Mal seit Wochen, was ja gut fürs Land ist, aber musste es gleich jetzt sein, da wir die Hamamelis ausgraben wollten? Sie gedieh seit Jahren in einem zauberhaften zengarten-artigem Innenhof in der Stadt. Doch nun hatte sie ausgedient. Sie musste weichen, weil sie zu gross geworden war. Blütenpflanzen sollten her. Dabei blüht niemand so schön wie die Zaubernuss, jedenfalls nicht so früh. So früh wie sie blüht überhaupt niemand, denn sie blüht im Winter. Zarte gelbe bis orange, bisweilen auch rote gefiederte Blüten und als Krönung der zarte Zauberduft der Zaubernuss.
Ich wollte schon immer eine und hatte keine. Deshalb konnte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, zumal ich nun endlich auch einen dazu passenden Garten kannte. Der liegt allerdings 300km weiter südlich – per Velo, Zug, Bus und zu Fuss.
Wir hatten sie eindeutig unterschätzt, die Hamamelis. Theoretisch war mir zwar klar, dass so viel wie über der Erde noch unter der Erde zum Vorschein kommen würde. Und zwar mit aller Kraft verwurzelt, denn es war eine gesunde, in voller Blüte stehende Pflanze, genauer gesagt ein Busch, nun ja, eigentlich eher Baum, ok Bäumchen, jedenfalls gut einen Meter fünfzig.
Ein Spaten war vorhanden. Aber ich sagte ja schon, wir hatten sie unterschätzt in ihrem gesunden, tief verwurzelten Wachstum. Bis wir sie endlich ausgegraben hatten, war ich pitschnass, von aussen und von innen. Zudem von unten bis oben verdreckt. Dass ich in der idealen Gartenarbeit-Frühlingsfarbe Gelb gekleidet war, machte die Sache nicht besser.
Und nun auf den Zug, glücklicherweise einen der wenigen direkten, aber vorher noch aufs Velo, aufs Körbli. Für im Körbli war sie zu gross. Hallo, da kommt der Frühling – schwankend über Kreuzungen meandrierend. Zum Glück genug furchteinflössend, dass alle auf Abstand gingen. Mit dem Ruf «Da kommt ein Schwertransport» blockiert ein freundlicher Velofahrer die anderen Verkehrsteilnehmer auf der Kreuzung.
Vom Velokeller bis auf die Geleise sind es fünf Minuten. Nicht mit Hamamelis, die mit Wurzelstock rund 30kg wiegt. Der Schaffner hatte ein Einsehen und half auf den letzten 50 Metern.
Nun erst mal 250km Ruhe. Bellinzona umsteigen. Wieder ein netter Herr und eine entzückte Gattin: «Dieses Gelb! – Passend zu Ihrer Kleidung! Das sieht man so selten!»
Ich habe nicht nachgefragt, ob sie die Kleiderfarbe meinte, das nicht mehr ganz so zusammen passende Gelb der Hamamelis und der erdverschmierten, mal tatsächlich gelb gewesenen Hose oder die Tatsache, dass eine Dame mittleren Alters versuchte mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen für sie viel zu schweren Baum quer durch die ganze Schweiz zu schleppen…
Nach der Bahn der Bus. Geplant war Uber, das gibt es hier aber nicht, also Bus. Ging gut, bloss hält der Bus 100 Höhenmeter und ein Kilometer weit entfernt vom Grund und Boden, wo die Hamamelis ihre neue Heimat finden sollte. Also Autostopp? Doch wer nimmt schon eine Hamamelis mit einer verdreckten Begleiterin mit?
Doch wiederum entfaltete die Zaubernuss ihren Zauber und schickt in dem Moment den nächsten netten Herrn, erst noch ein Bekannter Er eilt herbei, schnappt sich den Baum, stellt ihn bei sich in der Werkstatt unter und fährt ihn nach getaner Arbeit hoch. Eine Frau beobachtet die Szene und fragt danach scheu. «Wie ist der Name von diesem Baum?» «Hamamelis – Zaubernuss» Sie strahlt, dreht sich wortlos mit einem seligen Lächeln im Gesicht um und verschwindet im Haus.
Nach dem Auto der Fussweg, Hundert Treppenstufen. Es wäre ja gelacht, so kurz vor dem Ziel. Nein, die Zaubernuss überfliegt auch diese letzten Höhenmeter in den Händen des netten Herrn mit Leichtigkeit. - Und nun das Loch.
Ja sie braucht ein grosses Loch, damit sie sich wieder tief verwurzeln und ihren Zauber entfalten kann. Doch die Mühe lohnt sich, denn nun blüht sie wieder, schon im zweiten Jahr, trägt Blüten und Früchte zur gleichen Zeit.
Und wurde schon in ihrem Ursprungsland Kanada als Heil- und Wunderpflanze verwendet gegen Tumore und Augenentzündungen. Denn eine Abkochung mit der Rinde und den Blättern wirkt entzündungshemmend, gefässverengend und blutstillend. Hamamelis wird oft in Pflegeprodukten verwendet, da sie eine klärende und astringierende Wirkung hat, wodurch die Haut glatter und straffer erscheint. Die Zaubernuss beruhigt, besänftigt und betört, macht die Haut weicher und die Herzen zarter – Zauber eben.
Die Realität sah anders aus: Es regnete, und zwar heftig, zum ersten Mal seit Wochen, was ja gut fürs Land ist, aber musste es gleich jetzt sein, da wir die Hamamelis ausgraben wollten? Sie gedieh seit Jahren in einem zauberhaften zengarten-artigem Innenhof in der Stadt. Doch nun hatte sie ausgedient. Sie musste weichen, weil sie zu gross geworden war. Blütenpflanzen sollten her. Dabei blüht niemand so schön wie die Zaubernuss, jedenfalls nicht so früh. So früh wie sie blüht überhaupt niemand, denn sie blüht im Winter. Zarte gelbe bis orange, bisweilen auch rote gefiederte Blüten und als Krönung der zarte Zauberduft der Zaubernuss.
Ich wollte schon immer eine und hatte keine. Deshalb konnte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, zumal ich nun endlich auch einen dazu passenden Garten kannte. Der liegt allerdings 300km weiter südlich – per Velo, Zug, Bus und zu Fuss.
Wir hatten sie eindeutig unterschätzt, die Hamamelis. Theoretisch war mir zwar klar, dass so viel wie über der Erde noch unter der Erde zum Vorschein kommen würde. Und zwar mit aller Kraft verwurzelt, denn es war eine gesunde, in voller Blüte stehende Pflanze, genauer gesagt ein Busch, nun ja, eigentlich eher Baum, ok Bäumchen, jedenfalls gut einen Meter fünfzig.
Ein Spaten war vorhanden. Aber ich sagte ja schon, wir hatten sie unterschätzt in ihrem gesunden, tief verwurzelten Wachstum. Bis wir sie endlich ausgegraben hatten, war ich pitschnass, von aussen und von innen. Zudem von unten bis oben verdreckt. Dass ich in der idealen Gartenarbeit-Frühlingsfarbe Gelb gekleidet war, machte die Sache nicht besser.
Und nun auf den Zug, glücklicherweise einen der wenigen direkten, aber vorher noch aufs Velo, aufs Körbli. Für im Körbli war sie zu gross. Hallo, da kommt der Frühling – schwankend über Kreuzungen meandrierend. Zum Glück genug furchteinflössend, dass alle auf Abstand gingen. Mit dem Ruf «Da kommt ein Schwertransport» blockiert ein freundlicher Velofahrer die anderen Verkehrsteilnehmer auf der Kreuzung.
Vom Velokeller bis auf die Geleise sind es fünf Minuten. Nicht mit Hamamelis, die mit Wurzelstock rund 30kg wiegt. Der Schaffner hatte ein Einsehen und half auf den letzten 50 Metern.
Nun erst mal 250km Ruhe. Bellinzona umsteigen. Wieder ein netter Herr und eine entzückte Gattin: «Dieses Gelb! – Passend zu Ihrer Kleidung! Das sieht man so selten!»
Ich habe nicht nachgefragt, ob sie die Kleiderfarbe meinte, das nicht mehr ganz so zusammen passende Gelb der Hamamelis und der erdverschmierten, mal tatsächlich gelb gewesenen Hose oder die Tatsache, dass eine Dame mittleren Alters versuchte mit öffentlichen Verkehrsmitteln einen für sie viel zu schweren Baum quer durch die ganze Schweiz zu schleppen…
Nach der Bahn der Bus. Geplant war Uber, das gibt es hier aber nicht, also Bus. Ging gut, bloss hält der Bus 100 Höhenmeter und ein Kilometer weit entfernt vom Grund und Boden, wo die Hamamelis ihre neue Heimat finden sollte. Also Autostopp? Doch wer nimmt schon eine Hamamelis mit einer verdreckten Begleiterin mit?
Doch wiederum entfaltete die Zaubernuss ihren Zauber und schickt in dem Moment den nächsten netten Herrn, erst noch ein Bekannter Er eilt herbei, schnappt sich den Baum, stellt ihn bei sich in der Werkstatt unter und fährt ihn nach getaner Arbeit hoch. Eine Frau beobachtet die Szene und fragt danach scheu. «Wie ist der Name von diesem Baum?» «Hamamelis – Zaubernuss» Sie strahlt, dreht sich wortlos mit einem seligen Lächeln im Gesicht um und verschwindet im Haus.
Nach dem Auto der Fussweg, Hundert Treppenstufen. Es wäre ja gelacht, so kurz vor dem Ziel. Nein, die Zaubernuss überfliegt auch diese letzten Höhenmeter in den Händen des netten Herrn mit Leichtigkeit. - Und nun das Loch.
Ja sie braucht ein grosses Loch, damit sie sich wieder tief verwurzeln und ihren Zauber entfalten kann. Doch die Mühe lohnt sich, denn nun blüht sie wieder, schon im zweiten Jahr, trägt Blüten und Früchte zur gleichen Zeit.
Und wurde schon in ihrem Ursprungsland Kanada als Heil- und Wunderpflanze verwendet gegen Tumore und Augenentzündungen. Denn eine Abkochung mit der Rinde und den Blättern wirkt entzündungshemmend, gefässverengend und blutstillend. Hamamelis wird oft in Pflegeprodukten verwendet, da sie eine klärende und astringierende Wirkung hat, wodurch die Haut glatter und straffer erscheint. Die Zaubernuss beruhigt, besänftigt und betört, macht die Haut weicher und die Herzen zarter – Zauber eben.
